Alle Jahre wieder bringt EA Sports einen neuen Ableger der verkaufsstärksten Fußball-Simulation Fifa heraus. Alle Jahre wieder gehen die Meinungen von “völlig unrealistisch” bis “das beste Fußball-Spiel aller Zeiten” weit auseinander. Was ist nun Fifa 17? Nachdem ich jahrelang der PES-Reihe von Konami die Stange gehalten habe, bevor sie einige Next Gen-Versionen der eigentlich tollen Serie total verkackt haben, spiele ich seit zwei Jahren Fifa – und leide unter vielen negativen Aspekten des Spiels, die aber fast allesamt händisch zu beheben sind. Kommt Fifa aus der Box, ist es kein gutes Spiel. So ist es auch bei Fifa 17. Es ist zu schnell, die Schüsse zu gewaltig, die Pässe zu schnell, die Torhüter viel zu gut, die KI insgesamt zu fehlerfrei, die Verletzungsanfällig zu gering, das Handspiel (welches es bei PES übrigens immer noch nicht gibt) ausgeschaltet. Aber EA Sports hat im Gegensatz zu Konami dem Spieler die Freiheit gelassen, durch ein sehr sensitives Slider-Menü fast alle Aspekte des Gameplays zu beeinflussen. Seit Jahren zum Beispiel stellen wir die Torhüterstärke von den Standard 50 (bis 100 geht das) auf 25 oder 30 herunter. Auch die Passgeschwindigkeit wird reguliert (verlangsamt) und die gesamte Spielgeschwindigkeit (wie auch bei PES möglich) heruntergestellt. Hat man diese Eingriffe erst einmal gemacht, wurde fast jedes Fifa der letzten Jahre zu einem sehr guten Fußballspiel. So auch Fifa 17.
Zum Spiel: Mit “The Journey” hat sich EA Sports abseits der “normalen” Spielerei etwas sehr cooles ausgedacht (was es freilich auch schon bei 2K zuvor gab): Erstmals kann man auf und neben dem Rasen erleben, was es heißt, ein junger Fußballprofi zu sein und in die Rolle des Premier League-Nachwuchsstars Alex Hunter schlüpfen. Das Ganze findet zwar leider nur in der Premier League statt, aber aufgrund der aufwendig gerenderten Zwischensequenzen ist das auch nachvollziehbar. Eine “Wahlliga” wäre einfach nicht drin gewesen, will man diesen Standard des Geschichte erzählens halten.
In “The Journey” wird Alex Hunters Premier League-Karriere von der Leistung auf dem Platz und den Entscheidungen abseits des Rasens beeinflusst. Im gesamten Spielverlauf muss man wichtige Entscheidungen treffen, die die bevorstehenden Ereignisse und die Reaktionen der anderen Charaktere verändern. Das macht ziemlich viel Spaß (vor allem, wenn man es aus der Spielerperspektive zockt) und ist wirklich gelungen, auch, wenn sich die ewigen Trainingssessions etwas ziehen. Lieder endet die “Journey” gefühlt mittendrin. Nach dem Sieg im FA-Cup bekommt man Alex Hunter als Sammelkarte für das FIFA Ultimate Team, mit 75 ist sein Wert aber eher schwach und allenfalls zum Anfang einer Saison gut. Was viel schlimmer ist: Man hätte soviel Potenzial gehabt in dieser Story und lässt sie einfach enden. Schwach. Warum darf ich nicht das erste Länderspiel mit Alex Hunter zocken?
Das eigentlich Spiel wuchert wie immer mit Original-Teams, Trikots, Stadien, Sounds und und und. Die neue Frostbite-Engige sorgt für bisher nur etwas hübschere Grafik, dafür wurde das Standard-System komplett überarbeitet. Freistöße und Elfer sind nun deutlich anders zu bewältigen. Auch hat man den Eindruck, dass die Mitspieler (die KI) nun besser schaltet und sich klüger anbietet. Die immer wieder aufkeimende Diskussion um das “Momentum” des Spiels, eine Art geskriptete Spielentscheidung, kann ich auch in diesem Jahr nicht nachvollziehen. Fifa 17 ist rundum gelungen und hat wegen des Gesamtpakets ganz knapp die Nase vor PES 17.
Fazit: Gelungenes Fußballspiel mit toller Story-Idee, die leider endet, wenn der Spaß beginnt
Master Chief, Junge für alles, Fotograbenkämpfer und Textakrobat. Herausgeber und Erfinder.