“Da stellt sich möglicherweise die Frage, was für Musik ich eigentlich mag? Unglaublich, aber danach wird man tatsächlich von Zeit zu Zeit gefragt.[…] Einem Major A&R diese Frage zu stellen, ist, als würde man einen Arbitragehändler fragen, welche Waren er mag. Oder zu einem Investmentbanker sagen: »Hey, welches ist deine Lieblingswährung?« Ich habe einen recht breit gefächerten musikalischen Geschmack. »Eklektisch«, wie spastische Musikersagen, wenn sie in Interviews clever klingen wollen”
Da sind wir mittendrin in “Kill your Friends” von John Niven. Der Roman wagt einen zutiefst verstörenden Blickt hinter die Kulissen der Musikindustrie im England der späten 90er Jahre. Steven Stelfox arbeitet als A&R-Manager für eine große Plattenfirma in London. Um Erfolg zu haben, schreckt er vor nichts zurück. Er lügt, betrügt, beleidigt und schleppt sich, unterstützt von jeder Menge legaler und illegaler Drogen, gerade so durch den Tag. Eigentlich interessiert ihn Musik überhaupt nicht. Das einzige, was im Kampf gegen die Langeweile zählt, sind schnelle Hits und Anerkennung. Jahrelang mogelt er sich in allseits tolerierter, exzessiver Freibier-und-Drogen-für-alle-Philosophie durch den Arbeitsalltag. Doch im Zeitalter von Blair droht sich eine neue Arbeitsmoral durchzusetzen, die auf Integrität, Effizienz und vor allem harter Arbeit beruht. Steven belächelt zunächst die neue Order. Doch als er merkt, dass seine Stellung innerhalb der Firma gefährdet ist, gerät er zunehmend unter Erfolgsdruck und greift zu radikalen Mitteln. Plötzlich verwandeln sich die guten Freunde in Todfeinde. Eiskalt ermordet er einen seiner Kollegen und Konkurrenten. Aber das ist erst der Anfang, der Beginn einer perversen Orgie der Zerstörung, die ihn in immer tiefere Abgründe stürzt.
“Kill your Friends” ist eine Art “American Psycho” für Musikfans.
Das Buch ist längst ein Klassiker, mittlerweile ok (nicht mehr) verfilmt, eine Hörbuchfassung gab es vor dieser auch bereits. Gelesen wurde das Buch damals von niemand Geringerem als Ärzte-Drummer Bela B. – soweit… so schlecht.
Denn, um es deutlich zu sagen: Es ist schön, diesen Roman aus dem Mund eine Profis zu hören. Die Bela-Fassung war ziemlich schnoddrig gelesen und somit völlig verhunzt. Gerd Köster macht das für Random House Deutschland aber nun deutlich besser, trägt die haarsträubende Geschichte des A&R-Typen wie im hysterischen Fieberwahn vor, zieht alle Register.
Das Buch selber ist nichts für schwache Nerven, an vielen Stellen ekelhaft überdreht und dadurch packend. Wenn nur ein Fünftel der Dinge, die hier erzählt werden, im Musikbusiness passieren, sollte man nie wieder eine Platte kaufen. Tun wir natürlich dennoch, denn Sex & Drugs & RocknRoll…
Fazit: Krasse Lesung eines krassen Buches
Master Chief, Junge für alles, Fotograbenkämpfer und Textakrobat. Herausgeber und Erfinder.