„Johnny Depp ist nur ein Stück Fleisch“: Interview mit Tim Burton

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Tim Burton und Johnny Depp sind beinahe schicksalhaft miteinander verbunden. Nach Filmen wie EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN und ED WOOD oder CHARLIE UND DIE SCHOKOLADENFABRIK haben beide mit der Neuverfilmung von ALICE IM WUNDERLAND erneut gemeinsame Sache gemacht. Lest das Interview mit dem Erfolgsregisseur.




RnR-Reporter:    Warum haben Sie sich dafür entschieden den Film in 3D zu drehen?
TB:    Nun, 3D ist nicht nur eine Modeerscheinung. Es wird sich durchsetzen. Das heißt natürlich nicht, dass jeder Film in 3D gedreht werden wird. Aber hier war es so, dass Alice von der Geschichte her in 3D einfach sehr passend erschien. Also haben wir die 3D-Effekte nicht zu ihrem Selbstzweck verwendet, sondern versucht sie als Teil von Wunderland zu etablieren. Somit haben wir die Technologie dem Ausgangsmaterial angepasst.

RnR-Reporter:    Haben Sie in 3D gedreht oder wurde das Material erst nach dem Filmen konvertiert?

TB:    Wir haben die Aufnahmen nicht mit einem 3D-Kabel gemacht. Bei den verschiedenen Techniken, die wir verwendet haben – reine Animation, Live-Action und eine Verbindung dieser beiden – gab uns die konventionelle Aufnahmetechnik mehr Freiheiten. So konnten wir in die Tiefe gehen und die Ebenen erreichen, die wir erreichen wollten – und zwar innerhalb der Zeit, die uns dafür zur Verfügung stand. Abgesehen davon kann ich den Unterschied ohnehin nicht sehen. Sicherlich gibt es Leute die sagen, dass es auf die eine oder auf die andere Art besser oder schlechter aussieht… Aber uns erschien es so die richtige Herangehensweise. Nachdem ich gesehen hatte, was sie aus Nightmare Before Christmas mit der Konvertierung gemacht hatten, hatte ich wirklich keinen Grund mehr dafür, anders zu drehen. Wir haben versucht, den gesamten Produktionsprozess zu beschleunigen und am Ende kann ich keine Qualitätsunterschiede feststellen.

RnR-Reporter:     Wirkt sich die 3D-Technologie auf die Geschichte aus?
TB:    Früher hat man die Brillen aufgesetzt und kam dann später aus dem Kino mit quälenden Kopfschmerzen. Das ist heute nicht mehr der Fall, es ist ein viel angenehmeres Erlebnis daraus geworden. Ich selbst halte nicht viel von dem Griff in die Trickkiste, außer er kann einen Film bereichern, wie hier: Es versetzt dich in diese Welt. Ausgehend von den „Alice“-Vorlagen ist die Technologie ganz hilfreich, das Ganze besser zu erlebbar zu machen: z.B. das Wachsen und Schrumpfen der Charaktere oder die besonderen Orte und Räume, die man betritt. Natürlich dürfen solche Filme nicht nur in 3D gut aussehen, sondern sie müssen als Film für sich stehen und etwas sein, das man gerne sehen will. Die effekthascherische Komponente von 3D bleibt auf der Strecke, es geht eher darum den Zuschauer noch mehr in den Film hineinzuversetzen. Als Nightmare zu 3D konvertiert wurde, dachte ich mir, dass der Film schon immer so hätte sein müssen. Man konnte die Beschaffenheit der Figuren besser wahrnehmen, man fühlte sich eigentlich so, als wäre man am Set. Und ich denke, das steigert das Erleben beim Zuschauen. „Alice“ schien einfach die richtige Geschichte zu sein, um sie in 3D zu erzählen. Ich frage mich immer, ob es das richtige Medium für die Geschichte ist und mache so etwas nicht nur aus Effekthascherei oder weil es gerade ‚in’ ist. In diesem Fall erschien es einfach passend. Zu sehen, wie diese Geschichte in 3D zum Leben erweckt wird, unterstützt das Ausgangsmaterial zusätzlich. Man bekommt so ein gewisses Gefühl des Entrückseins , was ein entscheidendes Element dieses Films war.
RnR-Reporter:     Was gefällt Ihnen an dieser Geschichte?
Tim Burton:     In jeder Märchenwelt gibt es Gut und Böse. Was mir an Unterland gefiel ist der Umstand, dass darin alles – sogar die Guten – ein wenig schräg ist. Meiner Meinung nach also etwas völlig Andersartiges. Dabei ist die Geschichte ein großer Bestandteil unserer Kultur. Ob man sie gelesen hat oder nicht, hat man doch bestimmte Bilder im Kopf oder zumindest eine gewisse Vorstellung davon. Es ist eine sehr beliebte Geschichte. Für uns lag also der Grund sich dieser Geschichte anzunehmen darin, dass sie die Vorstellungskraft der Menschen schon seit einer sehr langen Zeit beschäftigt.

RnR-Reporter:     Warum glauben Sie, dass „Alice im Wunderland“ mehr als 140 Jahre nach Veröffentlichung immer noch so populär ist?
TB:     „Alice“ erschließt Teile unseres Unterbewusstseins. Aus diesem Grund bleiben alle großen Geschichten populär: sie sprechen etwas in den Menschen an, etwas worüber sie sich vielleicht nicht einmal bewusst sind. Bei dieser Geschichte hängt sicherlich viel mit ihren  Bilderwelten zusammen. Daher gibt es von ihr auch so viele verschiedene Bearbeitungen. In den Verfilmungen ging es bislang immer nur um ein kleines, passives Mädchen, das verschiedene Abenteuer besteht und dabei auf merkwürdige Figuren trifft. Nie ist darin ein gewisser Tiefgang zu beobachten. Wir haben nun versucht, die Ideen der Geschichten zu benutzen und damit etwas zu erschaffen, das sich zwar nicht buchstabengetreu an die literarische Vorlage hält, aber dennoch deren geistigen Kern bewahrt.

RnR-Reporter:    Wie alt waren Sie, als Sie die Bücher zum ersten Mal lasen?
TB:    Ich war noch in der Schule, also etwa 8 oder 10 Jahre alt. Ich bin den Büchern auf merkwürdige Art verbunden. Das Haus, in dem ich in London wohne, gehörte früher Arthur Rackham [der berühmte englischer Illustrator, der die allseits bekannten Farbdrucke für die 1907 erschienene Ausgabe von „Alice im Wunderland” entwarf]. Ich lebe und arbeite in dem Studio, in dem er diese fantastischen Bilder für „Alice im Wunderland” zeichnete. Also fühlte ich zwischen diesem Stoff und mir eine Verbindung. Und irgendwie ist so etwas immer hilfreich.

RnR-Reporter:     Was war Ihre Reaktion, als Ihnen die Regie für dieses Projekt angeboten wurde?
TB:    Sie gaben mir das Drehbuch und sagten es würde in 3D realisiert werden. Schon bevor ich das Drehbuch gelesen hatte, war ich fasziniert. Und was ich an Lindas Drehbuch mochte war, dass sie daraus eine eigenständige Geschichte gemacht hat und somit dem Film eine Form verliehen hat, die keine simple 1:1 Übersetzung des Buchs ist. Dies alles zusammen fesselte mich. Mir gefiel an diesem Ansatz, dass Alice am Übergang vom Kind zur Frau steht, also an einem Punkt, an dem man sich als Person maßgeblich verändert. Viele junge Leute mit alten Seelen sind in ihrer eigenen Kultur und in ihrer Zeit nicht sonderlich beliebt. Alice ist jemand, der nicht so ganz in diese viktorianische Muster und Gesellschaft passen mag. Sie ist eher in sich gekehrt.

RnR-Reporter:    Warum haben Sie sich dafür entschieden genau diese Version der Geschichte zu verfilmen?
TB:     Nun, es gibt so viele Geschichten. Es ist ja nicht so, dass das hier etwas Neues wäre. Wenn Sie die Bücher lesen, sind da all diese kleinen verrückten Abenteuer. Ich denke, dass Drehbuchautorin Linda Woolverton beabsichtigt hat, einfach die Geschichte und ihre Charaktere zu nutzen. Sehen Sie, es gibt so viele Dinge zu berücksichtigen – irgendeine der Figuren wird immer die Lieblingsfigur von irgendjemandem sein. Irgendwer wird den Hummer vermissen, oder was auch immer. Es gibt die Rote Königin und die Weiße Königin, den Märzhasen und das weiße Kaninchen – Symbolfiguren von denen wir wussten, dass wir sie im Film berücksichtigen müssen. Aber dann dachten wir uns: lassen wir der Geschichte einfach ihren Lauf und warten, was passiert.

RnR-Reporter:    Mit welchen Figuren aus „Alice” konnten Sie mehr als mit anderen anfangen? 

TB:    Ich mag sie alle. Und das ist der springende Punkt. Ich bin der Meinung, dass dieser Stoff in der Vergangenheit darunter litt, dass alle Charaktere einfach nur eigenartig sind. Okay, der Hutmacher ist eigenartig. Die Grinsekatze ist eigenartig. Das weiße Kaninchen ist eigenartig. Wir haben versucht jeder einzelnen Figur ihre individuellen Ticks zu verleihen, so dass jede Figur ihren eigenständigen Charaktere bekommt.

RnR-Reporter:     Hatten Sie in ihrer Jugend ein Lieblingskinderbuch?
TB:     Ich war ein Fan von Dr. Seuss. Seine Bücher waren leicht zu lesen. Ich mochte seine Zeichnungen. Aber der Grund Alice zu machen, war diese hochinteressante Herausforderung. Ich dachte nicht – wie das bei anderen Projekten der Fall sein mag – oh, es gibt schon eine großartige Verfilmung, dementsprechend ist es ein Problem eine weitere zu produzieren. Von „Alice” gibt es ein paar interessante Verfilmungen, aber ich denke eben keine davon ist vollends geglückt.

RnR-Reporter:     Wie sind Sie an den Film herangegangen?
TB:     Mich haben seit jeher die symbolhaften Bilder mehr angesprochen, als die Geschichte selbst. Ich denke, man wird immer überrascht sein, wenn man die Geschichten später im Leben erneut liest, denn sie haben nicht die mitreißende Erzählweise der „Herr der Ringe“ Bücher. Sie sind absurd und surreal. Aber die Figuren sind in unseren Träumen und unseren Erzählungen; Dinge eben, die uns im Gedächtnis bleiben. Warum schreiben so viele Musiker Songs darüber? Illustratoren beziehen sich ständig auf „Alice“. „Alice“ taucht in  anderen symbolischen Zusammenhängen auf. Dies war ausschlaggebend für den Versuch, diese Welt entstehen zu lassen. Die Dinge die ich an „Alice“ einzigartig fand, sind einzigartig durch ihre Andersartigkeit. Wie die bizarren Größenverwandlungen zum Beispiel. Oder dass manche Tiere sprechen können und andere nicht. Es erscheint zufällig, wie Carroll das alles einsetzt und dann doch auch wieder nicht. Es gibt da etwas sehr Tiefgründiges. Dinge, die zufällig erscheinen, sind es vielleicht gar nicht? Das Ziel liegt darin, das auszutesten und einzufangen.

RnR-Reporter:    Was gefällt Ihnen an dieser Version der Geschichte?

TB:    Mir gefällt daran, dass es sich um eine persönliche Entwicklung dreht. Darin bestehen im Eigentlichen die wichtigsten Dinge des Lebens – der Moment, in dem man diese eine wichtige Entscheidung trifft. Vielleicht passiert das jedem einmal, vielleicht auch nicht. Vielleicht geschieht es sogar mehrmals im Leben, so dass man dabei lernt und daran wächst. Wissen Sie, es ist als ob zwei Teile derselben Persönlichkeit miteinander im Konflikt liegen; sich sozusagen die Gefühle in einer Zwickmühle befinden. Und wenn man dann diesen Entwicklungsschritt macht, ist es etwas ganz und gar Besonderes, Eindrucksvolles. Es ist eine Versöhnung mit dem eigenen Inneren, mit dem was die eigene Person ausmacht, während man sich gleichzeitig zu der Person entwickelt, die man in Zukunft sein wird, ein Mensch nämlich. Das klingt schwach, ist aber sehr wichtig.

RnR-Reporter:    Warum wollten Sie keine Nacherzählung der Bücher machen?
TB:    An „Alice” faszinierte mich, dass die symbolhaften Bilder von unserer Kultur absorbiert wurden. Vermutlich wusste ich mehr über „Alice” durch das Hören von Bands und Songs – es kommen dabei so viele Aspekte aus der Bilderwelt der Geschichte ins Spiel. Das war an „Alice” schon immer überzeugend. Es war nie das Handlungsschema der Geschichte, denn das bestand aus absurden Erzählungen, die nie wirklich eine narrative Dynamik entwickelten. Das ist der Grund, warum die anderen Verfilmungen für mich immer defizitär waren; da ist dieses kleine Mädchen, das immer ‚ach, das ist aber komisch’ sagt, während sie die Dinge um sich herum beobachtet. Es taucht ein eigenartiger Charakter nach dem anderen auf, ohne in einen Kontext gesetzt zu werden. Also haben wir versucht, jeder der „Alice im Wunderland”-Figuren einen Bezug zu geben. Wir haben versucht den Figuren ein bisschen mehr Tiefe zu verleihen und Alice somit eine Geschichte zu geben. „Alice im Wunderland” wird so sehr mit einem Mysterium umgeben, da dachte ich mir, es wäre angebracht, dem Geist der Figuren treu zu bleiben und sie im Ganzen schließlich etwas umfassender einzubetten.

RnR-Reporter:    Warum haben Sie aus Alice eine 19-Jährige gemacht?
TB:    Weil dieses Alter für mich einfach eine Art Scheideweg darstellt. Ich denke, in dem Alter tritt man in eine Gesellschaft, die einen zwingt dazu zu gehören, oder zu heiraten, oder zu anderem. Und Alice scheint mir einfach an dem Punkt zu sein, an dem man an einem emotionalen Wendepunkt angekommen ist. Ich fand Alice einen interessanten Charakter, weil sie in diesem Alter ist und weil sie gleichzeitig die Seele eines alten und eines jungen Menschen in sich trägt. Daraus entsteht eine Dynamik – man steht in dem Konflikt die Jugend und das Alter gleichzeitig in sich zu spüren und dann diese beiden Gefühle miteinander in Einklang bringen zu müssen. Es erinnert einen an die klassische Märchenstruktur. Nehmen wir den „Zauberer von Oz“, oder eine Menge anderer Märchen und Volkserzählungen: Dabei geht es immer darum die emotionalen Probleme der Figuren auszuarbeiten. Deshalb war ich auch schon immer von der Poesie und dem Beweggrund dieser Geschichten, Märchen usw. fasziniert. Sie haben eine Bedeutung. Also sind Alice’ Abenteuer nichts anderes als der Versuch zu verstehen, wer sie ist und somit zu ihrer eigenen Stärke zu finden. Von diesen Reisen erzählen die Geschichten, die oft genug auch sehr intime Abläufe schildern. Neunzehn schien das richtige Alter für die Darstellung der Dynamik einer Person zu sein, die an einem Wendepunkt angelangt ist.

RnR-Reporter:     Wie geht Johnny Depp an einen so impulsiven Charakter wie den Verrückten Hutmacher heran?
TB:    Es ist eine Kultfigur und wurde bereits in Zeichentrick- wie auch in Realverfilmungen dargestellt. Im Gegensatz zu einer lediglich ‚verrückten’ Darstellung, hat Johnny versucht den Charakter zu erden, so dass er emotional fassbar wird. In vielen der zahlreichen Adaptionen ist der Hutmacher nur eine eindimensionale Figur und Johnny hat versucht neben der Befremdlichkeit dieses Charakters auch eine menschliche Seite herauszukehren. Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit ihm und jedes Mal versucht er etwas Besonderes aus einem Charakter zu machen – das war bei diesem Film nicht anders.

RnR-Reporter:     Würden Sie Johnny Depp als Ihre Muse bezeichnen?
TB:    Nee, er ist nur ein Stück Fleisch [lacht]. Alle beteiligten Schauspieler waren großartig, denn sie hatten nicht allzuviel mit dem sie arbeiten konnten – wie Sets, Kulissen oder andere Schauspieler. Das meiste davon mussten sie sich einfach vorstellen. Man kann bei so einem Film nicht wirklich mit Method Actors zusammenarbeiten. Man braucht Leute, die bereit sind sich zu exponieren und einfach drauflos spielen können, ohne allzuviel Material vorliegen zu haben. Also, darin ist Johnny wirklich gut. Und ich hatte auch mit allen anderen Schauspielern das Glück, dass sie sich darauf eingelassen haben. Und wissen Sie, es war auch für mich ziemlich schwer, denn so einen Film hatte auch ich noch nie gemacht. Das öffnet einem schon die Augen. Es ist ein völlig anderer Ablauf als sonst. Ich würde sagen, für einen Schauspieler ist es eine richtige Herausforderung.

RnR-Reporter:    Wie eng arbeiten Sie mit Johnny zusammen, wenn es darum geht seine Charaktere zu entwickeln?
TB:    Nun, ich mache einen kleinen Entwurf, er macht einen kleinen Entwurf. Dann reden wir darüber. Es ist jedes Mal anders. Wir geben Johnny ein paar Quellenverweise an die Hand, aber nie besonders spezifische. Er mag es einfach nicht, wenn er das Gefühl dabei hat nur eine Sache allein verfolgen zu müssen. Also geben wir ihm lieber abstrakt gehaltene Hinweise. Ich bin jedenfalls immer gespannt zu sehen, was dabei heraus kommt.

RnR-Reporter:    Lassen Sie ihn damit soweit gehen, wie er kann und bremsen ihn erst dann, wenn es nötig wird?

TB:    Ja schon, aber er ist ziemlich gut in dem was er tut. Man sollte nie so weit gehen, dass man die emotionalen Seiten eines Charakters vernachlässigt. Also haben wir natürlich versucht den Hutmacher einerseits verrückt zu gestalten, ihm aber andererseits auch eine Gefühlstiefe hinter der Oberfläche zur verleihen. Johnny ist ziemlich gut darin die Wahrheit hinter der Unwirklichkeit zu entdecken.

RnR-Reporter:    Können Sie mir sagen, warum Sie Mia Wasikowska in der Rolle der Alice besetzt haben?

TB:    Sie ist jung und in gewisser Weise alt zugleich. Sie steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, im Gegensatz zu vielen, die versuchen überall gleichzeitig zu sein. Manche tragen eine alte Seele in sich, was wir für die Rolle der Alice unabdingbar fanden. Gleichzeitig sollte sie natürlich auch jung sein. Es gibt ja Menschen mit einer alten Seele, die dennoch naiv sein können. In der Vorlage haftet Alice immer so eine gewisse Passivität an. Wir wollten ihr eher eine gewisse ruhige Kraft verleihen, über die Mia auch als Person verfügt. Ich mochte einfach ihre Qualitäten. Es gefällt mir immer, wenn ich in einem Menschen eine alte Seele entdecke. Da man die ganze Geschichte durch Alice’ Augen sieht, war es zwingend notwendig jemanden zu finden, der sie subtil darstellen konnte.

RnR-Reporter:    Wie hat Mia denn als relativ unerfahrene Schauspielerin ihre Rolle gemeistert?
TB:    Nun, sie war großartig. Das wird vermutlich der abstrakteste Film sein, den sie jemals machen wird – hoffen wir das zumindest mal. Wie ich schon sagte, es war ein neuer Arbeitsprozess für mich. All die Green Screen-Aufnahmen und all die anderen Hindernisse mit denen sie konfrontiert wurde, hat sie sehr locker genommen. Sie hat sich stets auf den Charakter konzentriert und versuchte diesen immer wieder in sich und bei sich zu finden. Das war sehr hilfreich, denn das Ganze ist schon ein sehr beklemmender Arbeitsprozess. Ich denke, diese Arbeitsweise geht gegen die Instinkte eines jeden Schauspielers – man hat einfach nichts, womit man agieren kann. Der Typ mit dem grünen Stab neben dir ist einfach nicht sehr inspirierend, wissen Sie.

RnR-Reporter:    Mit Crispin Glover [der den Herzbuben in Alice im Wunderland spielt] verbindet Sie eine langjährige Beziehung, nicht wahr?
TB:    Ich habe ihn Anfang der 80er Jahre kennengelernt. Er ist ein einzigartiger Mensch., ein richtiger Renaissancemensch. Es gibt nicht viele Menschen, die in Filmen mitspielen und dann ihre eigenen Filme drehen und ihre eigene Kunst produzieren und ihr Leben leben, so wie er das tut. Er ist großartig. Er besitzt eine so angenehme visuelle Präsenz.

RnR-Reporter:    Ihr Ensemble besteht aus vielen britischen Charakterdarstellern, Schauspielern die in ihrem Charakter völlig aufgehen können.
TB:    Ich liebe es mit Leuten wie Matt Lucas zu arbeiten und zu sehen wie sie in ihre Rollen  schlüpfen, denn ich denke, sie sind alle großartige Schauspieler. Es macht Spaß ihnen zuzugucken. Matt hat eine Figur gespielt und hat dann einfach so in die nächste gewechselt; für mich der Beweis für einen guten Schauspieler. Und es war wirklich fantastisch mit ihm zu arbeiten. Außerdem erschien es mir wichtig, einen echten, stark britisch eingefärbten Ton zu finden. Es gibt viele Menschen, die ich schon immer bewundert habe. Ich habe versucht, die eingesprochenen Stimmen nicht allzu artifiziell wirken zu lassen. Denn ich wollte, dass es sich so anhört, als wären sie alle Teil derselben Welt. Ich wollte nicht, dass sich die Schauspieler wie Live-Action-Darsteller in einer völlig animierten Welten fühlen, also habe ich versucht die Live-Action etwas extravaganter zu gestalten und die Animation gleichzeitig etwas zurückhaltender. Ich hatte das Glück so gute Schauspielern zu haben – die übrigens allesamt in einem Realfilmfilm brilliert hätten – und die es geschafft haben die animierten Charaktere auf das Level einer Realverfilmung zu heben.

RnR-Reporter:    Wie haben Sie die Schauspieler in ihre Charaktere versetzt?
TB:    Nun, es ist schwierig wenn man nicht allzu viele Kulissen hat und sich mit einer Menge technischer Dinge herumschlagen muss. Ich habe versucht alles so lebendig wie möglich zu gestalten und auch so kurz wie möglich zu halten, so dass die Schauspieler die Chance hatten, so viel wie möglich zu interagieren. Geschwindigkeit und Elan waren also wichtig. Man versucht einfach in Bewegung zu bleiben und den Rhythmus nicht zu verlieren.

RnR-Reporter:    Wie sind die Schauspieler mit ihren Dialoge in Alice im Wunderland umgegangen?

TB:     Schauspieler, mit denen ich gerne zusammenarbeite, tragen immer zu den Dialogen bei – zum Beispiel einen Satz oder eine andere Begebenheit aus den Büchern, die sie im Drehbuch haben wollen. Wenn ein Schauspieler eine Verbindung zu seinem Charakter aufbaut oder eben sehr empathisch dem Charakter gegenüber eingestellt ist, ist das immer gut. Unter Umständen bekommt man von den Schauspielern dadurch mehr zurück. Sie können so Bedeutsames erfassen.

RnR-Reporter:     Ist es nun eigentlich Unterland oder Wunderland? Und was bekommt man denn im Film zu sehen?
TB:     Es ist Unterland und es war schon immer Unterland. Aber in unserer Verfilmung hat Alice sich verhört, als sie das Land als Kind besuchte und schlicht Wunderland verstanden. Jeder hat eine Vorstellung von Unterland. Ich denke, dass es sich die Leute meistens als eine sehr bunte Zeichentrickwelt vorstellen. Wir stellten es uns so vor, dass Unterland, nachdem Alice als junges Mädchen dort ihre Abenteuer erlebt hatte und es verließ, bis zum jetzigen Zeitpunkt, als sie nun zurückkehrt, ein wenig der Trauer verfallen ist. Etwas Unbehagliches hat Einzug in Unterland gehalten.

RnR-Reporter:    Wie sind Sie auf das Design-Konzept für diese Welt gekommen?
TB:    Wir haben uns zuerst einmal eine Menge toller Zeichner angesehen. Letztlich lief es darauf hinaus, dass es eher ein Animationsfilm werden würde, was die Abläufe und Produktionsprozesse anbelangt. Wir hatten auch viele Designer. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen. Die Arbeit bestand aus einem richtig gewachsenen Aufbauprozess.

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