Nilz Bokelberg: Endlich gute Musik

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9783832162443.jpg.19330Mola Adebisi ist zurück auf deutschem Boden und dem der Tatsachen. Ein kleines bisschen wohlhabender, ein Stück unbeliebter und in Kürze womöglich ebenso jenseits der Schlagzeilen, wie er es vor wenigen Wochen noch war. Denn bevor er sich dem RTL-Dschungel unterzog, hatte der einstige VIVA-Moderator lang kein öffentliches Lebenszeichen mehr abgegeben. Aber was hat der ehemalige Kollegenkreis seit des Untergangs des erfolgreichen Jugend-Musik-Senders eigentlich so getan?

 

Heike Makatsch feiert schauspielerische Erfolge, Stefan Raab schwebt irgendwo zwischen Entertainer und Superstar. Matthias Opdenhövel steht ihm dabei zur Seite, ist aber auch auf Solo-Pfaden unterwegs, vor allem in Verbindung mit der ARD und Sportereignissen. Klaas Heufer-Umlauf blamiert sich regelmäßig mit Partner Joko für die Pro7-Abendshow Circus HalliGalli. Erfolgreich. Tobi Schlegl ist Musik und Moderation treu geblieben, arbeitet für den Radiosender 1Live. Auch Oli Pocher war Teil der Viva-Familie und ist heute – na was eigentlich? – auf jeden Fall recht bekannt. Und dann waren da noch Markus Kavka, Annemarie Warnkross, Charlotte Roche, Enie van de Meiklokjes, Sarah Kuttner und Niels Ruf – und alle fegen sie bis heute mehr oder weniger aktiv und prominent durch die deutsche Medienlandschaft.

 

Bleibt eigentlich nur noch ein Name übrig: der von Nilz Bokelberg. Na und der … hat beim Promi-Dinner gegessen, und in der Koch-Arena gebrutzelt, moderiert einen YouTube-Kanal und bloggt und bloggt und bloggt. Hervorragend also für die Vita, dass er nun auch ein Buch geschrieben hat. „Endlich gute Musik“ heißt das Stück, das vom Stil her auch eher ein ziemlich langer Internet-Post ist. Aber hier geht´s ja auch um Songs, nicht um Literatur. Und davon kennt er eine Menge, hat zu den meisten auch die passende Geschichte parat.

 

„Check, check“ (das Vorwort ist hier Sound-Prüfung) – es folgen ein paar seiner Lieblingslieder:

 

– „I want you (she´s so heavy)“ aus Abbey Road / The Beatles ist „das Lied das alles verändert“ & „der Schlüssel zur Musik“;

– Thomas Dolbys „She blinded me with science“ hält er für einen „Frickel-Nerd-Track“ zum „rauf und runter hören“;

– die beste Ballade aller Zeiten? Ist Chicago: „If you leave me now“;

– einen Zeugungsmarathon abhalten könnte er zur „Krishna-Jünger-Platte“ von Rasa: „Within the Sound“;

– wie ein Vulkanausbruch empfindet das Formel-Eins-Kind das Smashing Pumpkins Album „Siamese Dream“;

– mit „Elephant Gun“ möchte er den Leser aus dem Beirut-Dornröschenschlaf erwecken;

– „Zu spät“ hält er nur für den zweitbesten Ärzte-Song aller Zeiten, aber er kennt noch andere;

– lobt Flötensongs in „Bourgie Bourgie“ aus Send it / Ashford & Simpsons

– und in Abbas „Knowing me, knowing you“ erkennt Nilz „deepe“ Aussagen. Ahaa …

 

Dies ist nur ein Bruchteil der Playlist, die man (leider nur in Liste, dazu ein Tape wäre doch schön gewesen) mit „Endlich gute Musik“ geliefert bekommt. Bokelberg verrät zudem, weshalb er die Münchener Freiheit für die beste Popgruppe hält, die es je gab. Warum die Lassie Singers Lebenserfahrung fordern und fördern. Der Mann, der schon als Kind Moderator wurde und mittlerweile selbst Vater ist, hat sich lieber steuern lassen vom Grönemeyer-Kompass (nicht nur wegen des Saxofonsolos in „Halt mich“) als sich einer Drews-Monarchie zu untergeben. Die Mission „Nieder mit der deutschen Italo-Pop-Dikatur von Ramazzotti und Co.“ hat er trotz Rückschlägen nie aufgegeben (warum nicht „Tiger“ aus Poweri/Amari?). Verabschieden will er sich natürlich von seiner ganz großen Liebe, dem „Maß aller Dinge“: Nirvana. Vergisst aber auch die Bedeutung von Leben, Musizieren und Sterben eines Michael Jackson nicht, auch wenn die Leidenschaft für dessen Platten weniger feurig verlief. Und, bevor er zu den erfolgreichsten Rausschmeißern und dem, was übrig bleibt, kommt, gibt es last but not least eine Liebeserklärung an Michael Holm und Weezer.

 

Nilz Bokelberg schaufelt sich einmal quer und rauf und runter durch die vergangenen Musikjahrzehnte und lässt kaum ein Genre links liegen. Rock, Pop, Schlager, Punk, Techno, Grunge, Rap, Wave und und und – er hat zu allem etwas zu sagen, zu loben und zu meckern, aber seltener. Er ist nicht Chronist und eine Struktur hat er auch nicht, folgen kann man ihm trotzdem, weil er mitten aus dem Leben berichtet, aus seinem eigenen. Wann hat er dieses oder jenes Stück zuerst gehört? Was waren die Umstände und wie hat er es damals erlebt? Am Rande gibt es dabei auch Einblicke in seine Jugend, Familie und beruflichen Werdegang.

 

Kenne ich das Stück ebenfalls? Wie habe ich damals vom Cobain-Tod erfahren? Bokelberg gibt viele Erinnerungsanstöße, in vielen seiner Episoden kann sich der Leser vielleicht wiederfinden. Oder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, etwa über die 90er Musik, wenn er älteren (oder jüngeren) Semesters ist. Manchmal zuckt es in den Fingern, Songs auf Spotify (zB.) abzuspielen, die an einem vorbei gegangen sind. Manchmal mag man sich in eine Richtung aber auch gar nicht gern belehren lassen. Man muss ja nicht (fast) alles mögen, so wie der Bökelberg … Und hier liegt auch der größte Schwachpunkt des Werkes: Wie in einer Zeitschleife trifft der Autor gefühlt auf jeder Seite auf mindestens einen Song, der bahnbrechend, weltverändernd und revolutionär ist, ihn selbst und die Szene beeinflusst hat. Und warum ist er diesem bloß nicht früher begegnet? Da brauch man nach 208 Seiten zum Ausgleich auch mal eine Nummer, die echt scheiße ist. Wie wärs da mit … Fritten und Bier: Afrika? Humor scheint er immerhin zu haben, Verantwortung für Abszesse im Hals und Luftblasen im Bauch werden andernfalls nicht übernommen. Aber da helfen sicher die Kindheitserfahrungen.

 

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Nilz Bokelberg: Endlich gute Musik
208 Seiten, Taschenbuch
ISBN 978-3-8321-6244-3; 9,99 Euro

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