Classics: Misplaced Childhood / Marillion

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classics-rrr1985 sprangen Marillion endgültig aus dem Schatten ihrer großen Vorbilder, Genesis, und veröffentlichten mit „Misplaced Childhood“ ein von Stimmungsschwankungen geprägtes Konzeptalbum rund um das Thema Kindheit. Nachdem schon das Debütwerk „Script for a yesters tear“ andeuten konnte, zu welchen progressiven Höchstleistungen (zb. auf dem Titeltrack oder „Chelsea Monday“) die Band um den charismatischen Sänger Fish (eigentlich Derek William Dick) fähig waren, lieferte das Korsett des Konzepts eines der schönsten und mitreißendsten Alben der 80er Jahre. Liebe, verlorene Liebe, Erfolg, Kindheit – all das sind Themen, die sich Fish für diese Platte zur Brust genommen hat. Musikalisch wurde sie fein verwebt und bilden vielleicht eines der größten Argumente für Vinyl als Tonträger. Erstens klingt die Schallplatte um Längen besser als alle digitalisierten Nachfolger, vor allem aber gibt es am Ende der ersten Seite diesen einen magischen unbezahlbaren Moment, die nur ein Schallplattenspieler bieten kann.

Wenn Fish am Ende von Seite eins in „Heart of Lothian“ „…and the man in the mirror has sad eyes“ intoniert, weißt man einfach, dass ein Abschnitt beendet ist, die Geschichte eine neue Wendung nimmt – und man aufstehen muss, um die Platte zu drehen. Nach den harmonischen Klängen der ersten Seite, auf der mit „Kayleigh“ einer der erfolgreichsten und meistgespielten Songs der 80er (und 90er) vertreten ist, wird es ruppiger auf der Rückseite, kommen die Prog-Elemente mehr zu tragen (etwa im fast zehn Minuten langem Epos „Blind Curve“) und sprengt dieses insgesamt nur knapp über 40 Minuten kurze Meisterwerk endgültig die Ketten des schweren Genesis-Schattens. Besser haben Marillionen, besser hat Fish nie geklungen. Marillion misplacedchildhood

Die Plattenfuzzis bemerkten schnell, dass sie mir „Kayleigh“ einen ganz großen Fisch an der Angel hatten und koppelten den Song als Single aus – frecherweise mit einem stark gekürztem Gitarrensolo. Jahre später kamen diverse Demos ans Tageslicht, die zwar die Arbeitsweise der Band interessant dokumentierten, musikalisch aber keine weiteren Lichtblicke vermittelten. Eine komplette und ebenfalls hervorragende Live-Aufnahme des Albums, die auf der Misplaced Childhood Tour aufgenommen wurde, erschien 1988 auf dem Album The Thieving Magpie. Übrigens verweisen Marillion auf oben genanntes „Script for a Jester’s Tear“ in „Kayleigh“ („I never did write that love song“/“I’m still trying to write that love song“).

Dazu gibt es zahlreiche andere Zitate diverser Künstler (Solomon Burke, Van der Graf Generator). Das Cover zeigt  eine Zeichnung von  Robert Mead, damals zehn Jahre alt und ein Nachbar des Cover-Designers Mark Wilkinson. Auf der Rückseite flieht der schon früher bei Marillion immer wieder vorkommende Narr aus einem Fenster. Insgesamt wird vor allem vorne zu sehr mit der Kitschkeule gewedelt.

Insgesamt ist das ohne wenn und aber eine 6 von 6 Punkte-Platte und vielleicht DER Klassiker des Neo-Prog.

 

Die Tracklist:

  1. Pseudo Silk Kimono – 2:13
  2.  Kayleigh – 4:03
  3. Lavender – 2:27
  4. Bitter Suite – 5:53
    I. Brief Encounter
    II. Lost Weekend
    III. Blue Angel
    IV. Misplaced Rendezvous
    V. Windswept Thumb
  5. Heart of Lothian – 6:02
    I. Wide Boy
    II. Curtain Call
  6. Waterhole (Expresso Bongo) – 2:12
  7. Lords of the Backstage – 1:52
  8. Blind Curve – 9:29
    I. Vocal Under a Bloodlight
    II. Passing Strangers
    III. Mylo
    IV. Perimeter Walk
    V. Threshold
  9. Childhood’s End? – 4:32
  10. White Feather – 2:23

 

 

 

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