Classics: New York / Lou Reed

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PictureLou Reed war ein schwieriger Künstler, der es Mitmusikern, Fans und Kritikern nie leicht gemacht hat. Manche mögen ihn sogar für ein ziemliches Arschloch gehalten haben. Zur Rock’n’Roll-Ikone hat es der grantige Anti-Sänger, geniale Minimal-Gitarrist und bisexuelle Ex-Junkie aus New York in seiner mehr als fünf Jahrzehnte umspannenden, höchst wechselhaften Karriere dennoch gebracht. Sei es als Kopf der legendären Avantgarde-Band Velvet Underground oder seit den 1970ern als, nun ja, oft recht eigenwilliger Solokünstler. Ein Phänomen war er allemal. Denn kaum ein anderer Musiker hat dermaßen viele kommerzielle Flops und künstlerische Irrwege so unbeschadet und würdevoll überstanden wie er. Dafür war (und ist) sein Einfluss auf die gesamte alternative Rockmusik einfach zu groß.

Dabei stammt Lou Reeds einziger Welthit, der ultracoole Transen-Shuffle „A Walk On The Wild Side“ vom Erfolgsalbum Transformer, aus dem Jahr 1972. Danach veröffentlichte der Journalisten- und Plattenfirmenschreck zunächst einmal ein paar schlechte Alben (z. B. Rock’n’Roll Heart) sowie zwei unverstandene Alben (Berlin und Metal Machine Music) – und in den musikalisch ohnehin ziemlich indifferenten 1980ern bis auf Blue Mask (1984) und New York (1989) sogar einige richtig beschissene. Letzteres kam förmlich aus heiterem Himmel und zählt ohne jeden Zweifel zu Lou Reeds (drei bis fünf) Meisterwerken.

vinyl-record-iconDie Liner Notes gaben das Motto des Millionensellers vor: „You can’t beat two guitars, bass, drums“ – und eben dies lieferten Lou Reed und seine Mitstreiter Mike Rathke (Gitarre), Rob Wasserman (Bass) und Fred Maher (Drums) auf diesem musikalisch völlig aus der Zeit gefallenen Konzeptalbum perfekt ab. Eher unprätentiös zwischen straightem Rock, schrägem Blues und simplem Folk angesiedelt, inhaltlich aber jenseits jeglicher Political Correctness, strotzte New York nur so vor lakonischen Lyrics über den Status quo der amerikanischen Gesellschaft der späten Reagan-Ära. Drogen, Aids, Korruption, Rassismus, familiäre Gewalt – fast schon genüsslich sezierte der konsequente Mainstream-Verweigerer den Mikrokosmos seiner Heimatstadt, um mit Songs wie „Dirty Blvd“, „Last Great American Whale“, „Busload Of Faith“ und „Strawman“ ein Panorama der moralisch komplett aus den Fugen geratenen USA zu induzieren. Mit seinem schnörkellosen „Urban Songwriting“ traf er auch in Deutschland den Nerv der Zeit – zumal uns die Amis schon damals gehörig auf den Zeiger gingen. Jedenfalls hat New York bis heute nichts von seiner unverhohlenen Wut und Aktualität verloren. Auch deswegen ist das Album ein Klassiker.

Lou Reed verstarb Ende 2013 im Alter von 71 Jahren an den Folgen einer Lebertransplantation. Beziehungsweise an den Folgen seines über viele Jahre ungezügelten Lebensstils. Musiker wie ihn wird es Zukunft nur noch selten geben.

 

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