Netflix legt Krimifans einen neuen Fall von Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) unter den Weihnachtsbaum: Ab dem 23. Dezember gibt es “Glass Onion: A Knives Out Mystery” regulär auf dem Streamingdienst zu sehen. Genau einen Monat zuvor ist die Mysterie-Komödie nur für kurze Zeit in die deutschen Kinos gekommen – und die Rocknroll Reporter haben schon für euch reingeguckt.
Der erste Teil von „Knives Out“ (2019), der im Deutschen den wie fast immer unnötigen Zusatz „Mord ist Familiensache“ trägt, war gleich in mehrfacher Hinsicht charmant: ein typisches „whodunit“-Rätselspiel á la Agatha Christie, clever adaptiert für die große Leinwand, exzentrische Figuren, dargestellt von einem super Cast (unter anderem Jamie Lee Curtis, Toni Colette, Ana de Armas, Michael Shannon, Christopher Plummer and Don Johnson). Und über allem stand ein Detektiv, der nicht nur wegen seines Akzents (weshalb es sich lohnt, die Originalversion zu schauen) tatsächlich das Zeug hat, Daniel Craig nach der Bond-Ära eine neue Franchise-Zukunft zu sichern.
Bei gerade einmal 40 Millionen Budget soll das Ding 311 Millionen US-Dollar eingespielt haben. Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson (dessen „Star Wars – Die letzten Jedi“ sehr umstritten ist) wurde nominiert für einen Oscar für das beste Originaldrehbuch; gleich mehrere Golden-Globe-Nominierungen gab es für Film und Darsteller. Mehr geht fast nicht. Das ist wohl auch Netflix aufgefallen und kurzum kaufte sich der Riese direkt zwei Fortsetzungen des Überraschungserfolgs für schlappe 450 Millionen US-Dollar. Eine gute Sache? Nö.
Das vorweg: Daniel Craig als Benoit Blanc macht (auch trotz deutscher Übersetzung im Kino) weiter Spaß. Viel mehr hat der Film mit den großen Vorbildern wie Miss Marple, Hercule Poirot oder Sherlock Holmes aber nicht mehr zu tun – Plot und Figuren lassen nur allzu sehr durchblicken, dass dieser Franchise-Reihe kein literarisches Vorbild zugrunde liegt. Wobei: Wer „Tod auf dem Nil“, die Neuverfilmung des alten Agatha-Christie-Stoffs von Anfang des Jahres, gesehen hat: Das ist noch viel weniger geglückt.
Benoit Blanc reist diesmal nach Griechenland, um das Rätsel um einen Tech-Milliardär und dessen Entourage zu lösen. Wer ist der Mörder? Wer hatte ein Motiv? Wie in fast jedem Krimi gibt es Geheimnisse, Lug und Trug mindestens ebenso viel wie Alkohol. Rian Johnson ist an Bord geblieben und zeichnet erneut für Drehbuch und Regie verantwortlich. Als Darsteller mit dabei sind dieses Mal Ethan Hawke, Kate Hudson, Jessica Henwick, Kathryn Hahn, Edward Norton, Dave Bautista und Janelle Monáe. Sie alle spielen stereotypische Figuren, mit denen ehrlich mitzufiebern und mitzuleiden dem Publikum schwerfallen könnte.
Handlung und Setting sind ganz nett (ich habe den Kinosaal nicht vorzeitig verlassen oder gelangweilt drei Popcorntüten verspeist), doch es ist weder eine gelungene Hommage an die klassischen Detektivgeschichten noch ein gekonnter Bruch damit herausgekommen – und für 139 Minuten Laufzeit war mir das schlichtweg zu wenig.
Es wäre speziell Craig zu wünschen, dass ihm mit „Knives Out“ eine weitere, langlebige Erfolgsreihe gelingt. Und gegen ein bisschen Krimi auf Kinoformat spricht ja bei all dem großen Blockbuster-MCU-Getöse auch nichts. Aber, liebe Macher: Kehrt bitte zurück zum „old fashioned murder mystery“, wie es Rian Johnson in einem Interview einmal sagte – mit dieser Spur Nervenkitzel, einem klugen Plot und Figuren, die uns echte Freude bereiten.
Fazit: Eine glasklare Empfehlung für den ersten Teil, während der zweite leider stark abfällt. Für einen Streaming-Abend nach der weihnachtlichen Völlerei reicht es; ins Kino gehen muss man dafür ehrlicherweise nicht.
Off-topic: Egal, was ich gerade gesagt habe, UNTERSTÜTZT EURE KINOS!
Tipp zum Schluss: Fans von Daniel Craig sei noch ein charmanter Kurzclip ans Herz gelegt: Das Unternehmen Belvedere-Wodka hat ganz sicher ordentlich Geld ausgegeben, sich den Oscar-Preisträger Taika Waititi geschnappt und daraus einen zweiminütigen Werbespot gemixt, der Mr. Bond nicht immer gut aussehen lässt, aber Spaß macht. Wir machen hier keine Werbung, aber googelt mal danach!
Glass Onion; 2022, Mystery/Krimi, 2 Std. 19 Min., FSK 6
Filmexpertin
