Review: Der Anschlag / Stephen King

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51TIH0Map9L. SL290 Stephen King war einmal der gruseligste Schriftsteller des Planeten. „Carrie“, „Christine“, „Es“, „Brennen muss Salem“ oder „Friedhof der Kuscheltiere“ – das Übersinnliche war stets überpräsent in Kings Oeuvre. Stephen King, der oft und gerne über das Schreiben redet, wird der Erste sein, der einräumt, dass man sich auch im hohen Alter und nach einer derart erfolgreichen Karriere noch literarisch entwickeln kann. Denn King ist mittlerweile aus der stets gerne der literarischen Schmuddelecke zugeordneten Horrorkategorie herausgetreten und zu einem der ganz großen amerikanischen Erzähler geworden. Zwar hat der heute 68-Jährige immer mal über den Tellerrand geblickt, doch Mitte der 2000er Jahre findet sich eine neue Qualität in seinen Geschichten. „Der Anschlag“ (aber auch „Joyland“ oder „Mr. Mercedes“) ist ein Paradebeispiel für den nicht mehr ausschließlich blutigen Stephen King. „Der Anschlag“ (im Englischen heißt das Buch „11/22/63“)  handelt von Jake, einem Englischlehrer und Hauptperson, die sich King einmal mehr auf den Leib geschrieben hat. In Kings besten Werken spielt der Meister stets selber mit, eine Art überlanges Hitchcock-Cameo. Ob Englischlehrer und/oder Ex-Alkoholiker – in seinen Hauptfiguren steckt stets ein wenig (manchmal mehr) vom Autor selber.

So auch in Jake. Der entdeckt ein Zeitportal, welches ihn zurück zum 9. September 1958 führt. Fünf Jahre später wird Präsident Kennedy einem Anschlag zum Opfer fallen. Jake beschließt, die Tat am 22. November 1963 zu verhindern.

Stephen King wäre nicht Stephen King, wenn genau das so einfach wäre. Und so erfährt Jake, dass eine so großer Sache nur zu schaffen ist, wenn sie akribisch vorbereitet wird. So bleibt er nach einigen kurzen Ausflügen schließlich gänzlich in der Vergangenheit, im Jahr 1958, und lebt ein typisch amerikanisches Leben dieser Zeit bis zum Jahr 1963. Hier strahlt Kings Stern am hellsten. Wenn er die USA der End-Fünfziger skizziert, dann ist das wie lebendiger Geschichtsunterricht. Die Hörbuchfassung von „Der Anschlag“ ist die Sahne auf dem literarischen Kuchen. Der Berliner David Nathan ist mittlerweile DIE Stimme Stephen Kings in Deutschland. Der bekannte Synchronsprecher (Johnny Depp, Christian Bale und Paul Walker) hat bereits etliche Kings in ungekürzter Fassung eingelesen (Einen Überblick findet Ihr hier). Und Nathan ist nicht nur gut, er ist sensationell. Ohne große Tricks (wie etwa der Mann der tausend verschiedenen Stimmen, Rufus Beck) stellt eine Nathan-Lesung das beste beider Welten, dem Buch und dem Hörbuch, bereit.

Sachlich, aber nicht emotionslos liest David Nathan auch dieses Hörbuch und schafft es dabei zum Beispiel, dass sich der Zuhörer nicht zu sehr in des Vorlesers Richtung drängeln lässt (wie es bei Beck unweigerlich passiert). Nathans Kunst besteht darin, dass er eine Art Lenker ist, der der Fantasie des Hörers weiten Raum gewährt. Das ist große Kunst. Und so sind die 32 Stunden (!), die wir bei „Der Anschlag“ mit Nathan und King verbringen, kurzweilig und packend, was natürlich am genialen Zusammenspiel zwischen Story und Lesung liegt. „Der Anschlag“ ist für mich das beste Stephen King-Buch seiner gesamten Schaffenszeit (ja, trotz „Es“ oder „Das letzte Gefecht“), die Hörbuchfassung ist zum Glück ebenso klasse. 

 

Fazit: Großartige Nathan-Lesung eines großartigen King-Buchs

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