Doc ’n‘ Roll – 15.04.16

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Heyho, jetzt ist es soweit: Der Doctor sagt auch was zur Erdogan-Böhmermann-Affäre. Erstens: Ich halte Jan Böhmermann für einen mäßig lustigen und vor allem sich völlig selbst überschätzenden Deppen, der auf dem Schulhof sicherlich jeden Tag ordentlich auf die Fresse bekommen hat. Zweitens: Ich halte Erdogan für einen mäßig intelligenten und vor allem sich völlig selbst überschätzenden Deppen, der auf dem Schulhof der Welt jeden Tag ordentlich auf die Fresse bekommen sollte.

Wenn er Böhmermann nun als Privatmann für eine plumpe Beleidigung verklagt, ist das sein gutes Recht und ich kann das sogar nachvollziehen. Dass er sich an Merkel und Co wendet, ist natürlich totaler Humbug. Dass Böhmermann das Recht auf Satirefreiheit in Anspruch nimmt, ist aus meiner Sicht zumindest auf der betreffende Gedicht bezogen, ebenfalls Stumpfsinn. Es war eine bewusste Provokation mit ärmlichen Mitteln.

Der kleine Jan saß in seinem öffentlich-rechtlichen Elfenbeinturm und hat sich so gedacht: „Warte ab, du Spinner, jetzt nehme ich dich mal richtig hart ran. Mir kann ja keiner was, ich bin Satiriker – vom ZDF!“ Und genau das, Satiriker, ist er mit dieser Attacke größtenteils nicht gewesen. Satire hat die Aufgabe Zustände oder Missstände in sprachlich überspitzter und verspottender Form zu thematisieren. Das tut sein Gedicht fast immer in den ersten Sätzen, bevor eine Beleidigung folgt. Das kann man lustig finden, muss man aber nicht. Wenn man sich vorstellt, was Harald Schmidt aus so einer Vorlage gemacht hätte, erkennt man, wie schwach Böhmermann eigentlich ist. Darüber, dass Erdogan ein diktatorischer Staatsführer ist, gibt es kaum zwei Meinungen. Dass er nun die Gelegenheit erhält, sich als Opfer zu inszenieren, ist schlicht und ergreifend Böhmermanns Schuld. 

Dass er sich immer schon einmal in der Wahl seiner Mittel vergreift, ist übrigens auch bekannt: 2014 twitterte Böhmermann das Foto des sich in die Jogging-Hose gepissten Nazis aus Rostock von 1992. Der Heini mit dem Hitlergruß. Der Fotograf Martin Lange ließ ihn dafür (zu Recht) abmahnen. Böhmermann zahlte rund 900 Euro Strafe und begann, einen Shitstorm zu inszenieren, in dem er den Fotografen als geldgeil bezeichnete und das Urheberrecht in Frage stellte. Die Taz bescheinigte ihm damals „Allmachtsfantasien“ und das passt ganz gut zu meinem oben geschilderten Szenario. Würdet Ihr diesem Mann einen Gebrauchtwagen abkaufen? 

Darüber hinaus finde ich es sogar gut, dass sich Gerichte mit der Erdogan-Sache beschäftigen können, denn dafür sind sie da, dafür sind unsere Gesetze da. Nochmal zur Klarstellung: Dass der Türke völlig überzieht, indem er Merkel und ihre Handlanger mit in die Sache einbezieht, steht völlig außer Frage. Dass er ein skrupelloser Diktator ist und kein Recht hat, derartigen politischen Druck auf die Bundesregierung auszuüben ebenfalls. Dass nicht jeder Scheiß, den ich im Affekt oder im Kokainnebel von mir gebe, Satire ist, aber auch. Böhmermann hat es Erdogan mit seinem nicht-satirischen Vorgehen ermöglicht, die Bundesregierung bloß zu stellen.

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Ich hoffe, ich habe jetzt nicht allzu viele Leser verloren, mit dieser dann doch etwas anderen Meinung, die ich hier fernab des „Je suis Böhmermann“-Schwachsinns, vertreten.

 

Jetzt zum Rock ’n‘ Roll (endlich!):

 

Die Musikmesse in Frankfurt… Vor vielen vielen Jahren war es ein Muss, auch als Hobbymusiker, dort hin zu pilgern. Die Hallen waren prall gefüllt mit den Ständen der großen Firmen, Fender, Gibson, Marshall und so weiter. Ich selber habe da schon Jim Marshall getroffen und mit John Scofield geplaudert.

In den letzten Jahren ist das Engagement der Firmen immer weiter zurückgegangen. Das führte dann sogar dazu, dass die Macher der Messe sich neue Wege überlegt haben.

Einer davon: Es gibt keine Fachtage mehr. Sprich: Jeden Tag darf jeder die Messe besuchen. Klingt gut? Mitnichten. Dies führt dazu, dass der Andrang so groß ist, dass selbst Journalisten (und Profimusiker), die vor Ort arbeiten, Schlange stehen müssen, um Neuheiten zu testen. Genau das hat mich von einer Fahrt nach Frankfurt abgehalten. Die Gamescom in Köln ist mir da in schlechter Erinnerung gewesen.

Da gibt es zwar noch sogenannte Fachtage ohne „Publikum“, diese sind aber so überlaufen, dass auch hier defakto kein gescheites Arbeiten mehr möglich ist. Ich habe Ausnahmegitarrist Marco Wriedt (21 Octayne) gefragt, wie er die Lage der Musikmesse sieht. 

 

„Ich war 2005 das Erste Mal auf der Musikmesse. Für mich als Zwanzigjähriger war es das Disneyland für Musiker und elf Jahre später ist es traurig, wenn man sieht, das mittlerweile mehr Food Trucks als Aussteller da sind. Mir tun vor allem die jungen Musiker leid, die nicht wissen können, wie großartig die Frankfurter Musikmesse einmal war. Youtube kann das nicht kompensieren denke ich.

Als Musiker muss man vor Ort Instrumente, Verstärker, Drums antesten.

Ein Video als Eindruck ist schön aber nicht „The Real Deal“. Ich hoffe das die Musikmesse wieder die Kurve bekommt und man die Aussteller zurückholen kann. Die Musikmesse Frankfurt war immer ein extrem wichtiger Faktor für die deutsche und europäische Musiklandschaft. Es wäre sehr schade wenn das bald nicht mehr so ist.“ Dem ist nichts hinzuzufügen…

 

 

Und jetzt ab ins Wochenende…

 

 

Bis nächsten Freitag

yoursdocrock

 

 

 

 

 

 

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